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Veröffentlichungsdatum: 
14.11.2016

In einem neuen Arbeitspapier untersuchen das Forschungszentrum für Umweltpolitik und Fraunhofer ISI, in welchem ökologischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Umfeld die Arbeit von Forschungsprojekten zu nachhaltigem Wirtschaften zu verorten ist. Die wichtigste Botschaft: Wissenschaft kann entscheidend dazu beitragen, tragfähige Handlungsoptionen für nachhaltiges Wirtschaften zu entwickeln – wenn sie passgenaues Wissen liefert, das die komplexen Rahmenbedingungen berücksichtigt.

Wer mehr Nachhaltigkeit will, kann heute nicht (nur) national denken –weltweite Phänomene wie Klimawandel und globalisierte Handelsströme sind entscheidende Faktoren, wenn es darum geht, die Ausgangslage zu analysieren, Ziele zu definieren und Handlungsoptionen zu entwickeln. Die vorliegende Umfeldanalyse stellt verschiedene Rahmenbedingungen dafür dar und zeigt auf, welche Kräfte, Trends und Diskurse bedacht werden müssen, damit nachhaltige Ideen und Innovationen tatsächlich angewendet und verbreitet werden.

In ihrer Bestandsaufnahme diagnostizieren die AutorInnen eine „Lücke zwischen gesellschaftlichen Diskursen und dem politischen Handeln“ und stellen fest: „Die Wahrnehmungen zu Problemursachen und Lösungsansätzen unterscheiden sich unter den relevanten Akteuren erheblich.“ Diese und andere Rahmenbedingungen für nachhaltiges Wirtschaften werden im ersten Teil der Arbeit näher erläutert, um anschließend aufzuzeigen, wo wissenschaftliche Projekte ansetzen können und für welche AkteurInnen ihre Befunde interessant sind. Insbesondere geht es den AutorInnen darum zu zeigen, zu welchen Themen Wissensbedarf besteht und wie die Projektarbeit gesellschaftlich möglichst anschlussfähig und umsetzbar wird. Das Ziel ist klar: „den gesellschaftlichen Impact der Forschung über die bisherigen Ansätze hinaus zu vergrößern“, wie die AutorInnen schreiben.

Green-Economy-Diskurs versus Postwachstumsdebatte

Zunächst analysieren die AutorInnen zwei aktuelle Diskurse zum Thema Nachhaltigkeit. Der Green-Economy-Diskurs geht davon aus, dass „insbesondere durch technische Innovationen Effizienzsteigerungen im Bereich Energie- und Ressourcenverbrauch erreicht werden können, woraus sich ebenfalls Chancen für Wachstum und Beschäftigung ergeben“, wie die AutorInnen schreiben. VertreterInnen von Postwachstumsansätzen hingegen zweifelen an, dass rein ökonomische Lösungen für eine dauerhafte Nachhaltigkeit des Wirtschaftens hinreichend sind, und setzt auf eine „Veränderung von Lebensstilen und Kultur hin zu einer Gesellschaft, die auf immateriellen Gütern gründet“. Kürzere Arbeitszeiten, weniger Konsum, stärker regionalisierte Wirtschaftskreisläufe und mehr Beteiligung von Wissenschaft und Zivilgesellschaft an Entscheidungsprozessen sind Lösungsansätze, mit denen Postwachstums-Ansätze zu mehr Nachhaltigkeit gelangen wollen.

Auch die AkteurInnen unterscheiden sich in beiden Diskursen: Während die Postwachstumsdebatte auf „gesellschaftliche Pioniere [setzt], die Innovationen aufgreifen“ und KonsumentInnen sowie Gesellschaft beeinflussen, fokussiert der Green-Economy-Diskurs auf Nationalstaaten sowie Unternehmen und KonsumentInnen als SteuerungsakteurInnen des nachhaltigen Wirtschaftens.

Globale Megatrends und politische Strategien

Im nächsten Kapitelbeschreiben die AutorInnen ökologische, gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Megatrends, die Gesellschaften und Märkte weltweit „kontinuierlich und langfristig verändern“ und die in Nachhaltigkeitsstrategien berücksichtigt werden sollten. Wie sich diese Megatrends auf verschiedene Zukunftsszenarien auswirken, analysieren die AutorInnen im Anschluss; dabei gehen sie auf Szenarien ein, die das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) entwickelt hat, sowie auf fünf Strategien zu „Deutschland im Jahr 2050“. In einem weiteren Kapitel geht es um politische Strategien auf nationaler und internationaler Ebene; beispielhaft werden die nationale Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung, Europe 2020 und die 2015 formulierten Sustainable Development Goals (SGDs) der Vereinten Nationen im Hinblick auf ihre Ziele und ihre Unterschiede analysiert und verglichen. Zusätzlich nehmen die AutorInnen politische Strategien aus den Handlungsfeldern Klima, Ressourcen und Biodiversität in den Blick, die sich– in unterschiedlicher Ausprägung – auch mit dem Thema nachhaltiges Wirtschaften beschäftigen.

Mit der High-Tech-Strategie sowie dem Forschungsrahmenprogramm Forschung für Nachhaltige Entwicklung (FONA) werden zudem zwei Strategien zur Wirtschafts- und Innovationsförderung analysiert, die voneinander abweichende Zielsetzungen haben und auf unterschiedliche AkteurInnen abzielen: Die High-Tech-Strategie will vor allem die deutsche Wettbewerbsfähigkeit erhalten, während FONA darauf ausgerichtet ist, „anwendungsorientiertes Wissen“ in vielfältigen, nachhaltigkeitsorientierten Forschungsprojekten zu generieren.

Viele Anknüpfungspunkte für die Wissenschaft

„Wissen“ ist auch das zentrale Stichwort für den abschließenden Teil des Arbeitspapiers. Die AutorInnen beschreiben, welche Arten von Wissen für unterschiedliche AkteurInnen aus (Zivil)Gesellschaft, Wirtschaft und Politik hilfreich sind, um bestmöglich zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen zu können. Systemwissen lässt sich in erster Linie aus der Betrachtung der Megatrends und der daraus entwickelten Szenarien generieren. Es hilft AkteurInnen dabei, zukünftige Entwicklungen besser einzuschätzen und Strategien bzw. Maßnahmen zu entwickeln. Beim Zielwissen geht es vor allem darum, wünschenswerte und nicht wünschenswerte Entwicklungen zu benennen und darauf aufbauend Zielvorstellungen zu generieren, die als Grundlagen für unternehmerisches oder politisches Handeln dienen können. Das Transformationswissen schließlich unterstützt AkteurInnen beispielsweise dabei, Handlungsalternativen zu entwickeln und zu entscheiden, welche Innovationen im Hinblick auf Nachhaltigkeit besonders geeignet sind. Zu all diesen Erfordernissen kann Wissenschaft, d.h. können die Forschungsprojekte zu nachhaltigem Wirtschaften entscheidend beitragen – und damit gleichzeitig ihre eigene Relevanz erhöhen, wie die AutorInnen betonen.

 

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AutorInnen des Arbeitspapiers "Umfelder Nachhaltigen Wirtschaftens"(2016) sind Anna-Lena Guske und Klaus Jacob (beide Forschungszentrum für Umweltpolitik) sowie Matthias Gotsch und Rainer Walz (beide Fraunhofer ISI).