Ausgangssituation und Forschungsfragen
Aus Nachhaltigkeitssicht besteht ein hoher Problem- und Zeitdruck, um eine Richtungsänderung hin zu nachhaltigeren Produktions- und Konsummustern zu erreichen. Zwar existieren in der Praxis viele Einzelinitiativen, aber es fehlen ganzheitliche, auf Gesamtsysteme ausgerichtete Gestaltungsansätze, die zu grundlegenden Transformationen führen könnten. Insofern besteht ein großer gesellschaftlicher Bedarf an systemisch ausgerichteten und praxiserprobten Vorschlägen für Formen erfolgreicher(er) Gestaltung und Governance von Transformationsprozessen.
Aus dem identifizierten Bedarf lassen sich u.a. folgende Forschungsfragen ableiten: Wie sieht in der Praxis das Wechselspiel von Politik und Zivilgesellschaft bei der Initiierung und Gestaltung von Transformationen aus? Wie kann eine partizipative Visionsentwicklung konkret gestaltet werden? Wie kann mit politischen und gesellschaftlichen Widerständen und besitzstandswahrenden Interessen umgegangen werden?
Projektziele
Das übergeordnete Ziel des Vorhabens ist die Entwicklung und Erprobung eines Modells und die Erstellung eines als E-Book vorgesehen Handbuchs zur Initiierung und aktiven Gestaltung von sozial-ökologischen Transformationsprozessen in der gesellschaftlichen und unternehmerischen Praxis.
Entwicklung des Gestaltungs-Modells und praktische Erprobung in drei Anwendungsfeldern
Das Projekt besteht aus zwei Phasen.
In der ersten wird das in Grundzügen bereits vorliegende Gestaltungsmodell weiterentwickelt. Das Modell beschreibt zum einen relevante Teilsysteme des bestehenden Systems, wie beispielsweise vorherrschende Werte und Leitbilder, Politikinstrumente, Institutionen und materielle Infrastrukturen sowie spezielle Governance- Herausforderungen wie Partizipation und Konfliktmanagement. Es basiert auf einer umfassenden Literaturanalyse sowie der Auswertung historischer Transformationen. Zudem fließen auch erste Erkenntnisse aus der zweiten Phase des Vorhabens ein.
Diese zweite Phase umfasst die Erprobung des Modells in den drei Anwendungsfeldern:
- Papierloses Publizieren und Lesen mit E-Books und E-Zeitungen sowie papierloses Büro: Bei dieser vor mehr als zehn Jahren angelaufenen technik- und marktgetriebene Transformation gibt es eine eher diffuse gesellschaftliche Zielsetzung (weniger Papierverbrauch, weniger Elektronikabfälle durch langlebige, zukunftssichere Lesegeräte) und zum Teil stark ausgeprägte kulturelle Vorbehalte gegen E-Books und E-Zeitungen.
- Breite Nutzung von E-Bikes im Stadt- und Regionalverkehr: Eine deutliche Verlagerung des Pkw-Verkehrs auf E-Bikes könnte eine erhebliche Auswirkung auf die Veränderung der Mobilität insgesamt bewirken und zur Erreichung der klaren gesellschaftlichen Zielsetzung beitragen. Aufgrund von Hemmnissen auf verschiedenen Ebenen wird die technische Entwicklung allein in absehbarer Zeit voraussichtlich nicht zu einer Transformation führen.
- Nachhaltige Produktion und Konsum von Fleisch: In diesem Feld besteht eine gesundheits- und klimapolitische Zielsetzung, mit Blick auf die Gestaltung der Transformation ist aber keine ganzheitlich angelegte Suffizienz-Strategie erkennbar. Zwar gibt es vereinzelte Initiativen, aber auch deutliche Konflikte und Widerstände (siehe die Diskussion um den Veggie-Day).
Umsetzungsstrategien
Die Umsetzung des Projekts erfolgt transdisziplinär unter der Mitarbeit verschiedener Praxisakteure. Diese Akteure und Initiativen aus der Praxis spielen eine wichtige Rolle in der Erprobung in den drei Anwendungsfeldern und werden in die Entwicklung des Gestaltungsmodells mit eingebunden. Neben der selbstständigen Bearbeitung einzelner Arbeitspakete werden die Praxispartner auch an verschiedenen Workshops teilnehmen, in denen die Zielvorstellungen und die Ausgestaltung der Praxisinitiativen diskutiert werden. Zusätzlich findet einmal jährlich eine Transformations- Konferenz statt. Auf dieser wird über den Stand in den drei konkreten Anwendungsfeldern berichtet. Die dort gewonnenen Erkenntnisse werden anschließend auf der Meta-Ebene reflektiert. Durch die Erprobung in drei Anwendungsfeldern fließen erste Projektergebnisse direkt in die Praxis. Verstärkt wird die praktische Umsetzung durch die gezielte Ergebnis-Kommunikation an relevante Akteure.
Carl-Otto Gensch, Öko-Institut e.V.