Ausgangssituation und Forschungsfragen
Auf dem Weg zu einer Green Economy steht der Tourismus erst am Anfang eines sichtbaren Veränderungsprozesses. Der nachhaltige Umgang mit Ressourcen lässt sich insbesondere im Tourismus nicht durch ein „Warten“ auf ressourceneffiziente Technologien erreichen. Auch die Konsumentinnen und Konsumenten sind gefragt: Durch einen hohen Gestaltungswillen zu mehr Verantwortung und Suffizienz, also dem maßvollen Umgang mit oder dem Verzicht auf Ressourcen, können Sie einen hohen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten.
Diese Ausgangslage schafft die scheinbar paradoxe Situation eines „verzichtgeleiteten Anreizsystems“. Dieses steht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem vom Konsumenten geäußerten Unverständnis gegenüber einem „Verzichtüben im Urlaub“. Gleichzeitig belegen Studien, dass insbesondere im Tourismus die Nachfrage nach intakter Umwelt sowie authentischen Sinn- und Erholungswelten kontinuierlich wächst. Eine zunehmende Basisnachfrage für eine Entwicklung hin zu einem nachhaltigeren Konsum ist im Sektor Tourismus also vorhanden. Neben den touristischen Onlineportalen im Internet schätzen und nutzen deutsche Urlauberinnen und Urlauber aufgrund des direkten Kundenkontaktes die fast 10.000 Reisebüros. Für das Produkt „nachhaltiger Tourismus“ sind diese daher ein unverzichtbarer Vertriebskanal, in dem bisher jedoch nur begrenzt und unzureichend nachhaltige Reisen angeboten werden.
Das Projekt
Das Projekt Green Travel Transformation nimmt das Gesamtsystem der Tourismuswirtschaft in den Blick, um Rahmenbedingungen setzen zu können, die eine deutliche Veränderung in Richtung Nachhaltigkeit erwirken können. Das Projektdesign ist zweistufig aufgebaut. Im ersten Schritt werden grundsätzliche Untersuchungen vorgenommen, die aufzeigen, welche Effizienz- und gegebenenfalls Reboundeffekte in der touristischen Leistungskette vom Produzenten (Reiseveranstalter) bis zum Konsumenten (Tourist) auftreten. In diesem Zusammenhang werden die Funktionen des gesamtwirtschaftlichen Systems der Tourismusindustrie in den Blick genommen, um Handlungsoptionen im Umgang mit Ressourcen sowie zur Aufrechterhaltung von systemrelevanten Dienstleistungen zu identifizieren. In einem zweiten Schritt geht es um eine konkrete Stakeholderadressierung. Im Fokus der Untersuchung stehen vor allem diejenigen Akteursebenen der Tourismuswirtschaft, die einen relevanten Beitrag für die Etablierung von Veränderungsprozessen in Richtung Nachhaltigkeit liefern können.
Schlüsselakteure der Branche wie der Deutsche Reiseverband (DRV) und systemrelevante Leistungsträger (Vertreter der Reiseveranstalter und der Reisemittler) werden aktiv im Forschungsverbund mitarbeiten und bereits in der laufenden Projektzeit für erste Umsetzungen der Ergebnisse sorgen. Darüber hinaus sind internationale Tourismuspartner beteiligt, die sich erstmalig in dieser bedeutenden tourismuspolitischen Zusammensetzung gemeinsam für Veränderungsprozesse in Richtung Nachhaltigkeit einsetzen wollen. Diese Partner sind die Reiseverbände von Österreich, den Niederlanden, England und der Schweiz sowie das United Nations Environment Programme (UNEP) und der Global Sustainable Tourism Council (GSTC).
Projektziele und zu erwartende Ergebnisse, geplante Umsetzungsstrategien
Ziel des Projektes ist es, den Anteil der eher nachhaltigen Reisen an allen gebuchten Reisen deutlich zu steigern. Dafür müssen diese Reisen für den Konsumenten sichtbar gemacht werden (Kennzeichnung) und buchbar sein (in den Informations- und Buchungssystemen). Durch eine gezielte Beratung der Reisebüromitarbeiterinnen und -mitarbeiter in Bezug auf die Realisierung nachhaltiger Reisen werden zwei Aspekte erreicht: Reisenden werden die Vorzüge wie auch Chancen der Nachhaltigkeit sichtbar und sie haben die Möglichkeit gezielt nachhaltig zu buchen. Entsprechend wird es gelingen, Verantwortung, Effizienz und gegebenenfalls Suffizienz zu verbinden.
Die Reisende oder die Reisende entscheidet sich bewusster und öfter für nachhaltige Reisen, entsprechend werden solche Reisen gefördert, die weniger Ressourcen verbrauchen sowie in günstigeren ökonomischen und sozialen Kontexten realisiert werden und damit besser den Kriterien der Nachhaltigkeit entsprechen.
Prof. Dr. Edgar Kreilkamp, Leuphana Universität Lüneburg