hintergrundbild
Veröffentlichungsdatum: 
10.03.2017
Um möglichst viele gesellschaftliche Gruppen und Individuen für mehr Nachhaltigkeit zu gewinnen, braucht es ein Narrativ – also eine „sinnstiftende Erzählung“, mit der sich viele Menschen identifizieren können. Ob es möglich ist, so ein Narrativ zu finden, das verschiedenen Konzepten von Nachhaltigkeit gerecht wird, wurde bei der Diskussion „Zwischen Nachhaltigem Wirtschaften, Green Economy und Degrowth – wie könnte ein gemeinsames Narrativ aussehen?“ erörtert. Sie beschloss gleichzeitig die 2. NaWiKo-Austauschkonferenz. Vorläufiges Ergebnis: Die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen eignen sich, um thematische Narrative zu entwickeln – wenn es dabei gelingt, allgemein akzeptierte Wohlfahrtsziele zu identifizieren.

Im eröffnenden Impuls beschrieb Prof. Dr. Gernot Klepper, Leiter der Forschungsabteilung "Umwelt- und Ressourcenökonomie" am Institut für Weltwirtschaft Kiel, was die drei Konzepte Nachhaltiges Wirtschaften, Green Economy und Degrowth aus ökonomischer Sicht unterscheidet, und erörterte, ob sie sich als Basis für ein Narrativ eignen. Nachhaltiges Wirtschaften zeichne sich vor allem durch eine Betonung der intergenerationalen Gerechtigkeit aus und finde sich insbesondere in den Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen (UNO) wieder, die den Unterzeichner-Staaten konkrete Zielvorgaben liefern – auch wenn diese teilweise im Widerspruch zueinander stünden. Das der Green Economy zugrunde liegende Konzept fasste Klepper neoklassisch: Es ziele auf die Internalisierung externer Effekte bei gleichzeitigem Ressourcenschutz ab. Am Degrowth-Konzept bemängelte der Wirtschaftswissenschaftler, dass dabei ausschließlich auf die Entwicklung des Bruttosozialprodukts abgestellt werde. Dabei umfasse Wohlfahrt, eine für Nachhaltigkeits-Narrative zentrale Größe, auch Güter wie subjektive Zufriedenheit und intrinsische Werte, zum Beispiel die Schönheit der Natur.

Kleppers Fazit: Kern einer ‚narrativ-fähigen‘ Zukunftsvision könnten die SDGs sein. Carl-Otto Gensch, Bereichsleiter Produkte & Stoffströme am Öko-Institut, hob in der anschließenden Podiumsdiskussion hervor, dass es nicht ohne Transformationsprozesse gehe, die sich in Industrie- und nachholenden Ländern allerdings stark voneinander unterschieden. Dass es wichtig sei, glaubwürdige Narrative zu entwickeln, betonte Dr. Klaus Jacob, Forschungsdirektor am For-schungszentrum für Umweltpolitik (FFU). Dabei müssten sowohl die „Anschlussfähigkeit an wirtschaftlichen Erfolg“ als auch ein sozialer Ausgleich gewährleistet sein. Gernot Klepper wies da-rauf hin, dass eine Herangehensweise, die nur auf messbare Größen abzielt, nicht zielführend sei. „Für Narrative sind Wohlfahrtsziele entscheidend“, wiederholte er sein zentrales Argument.

Für viele Menschen ist Autofahren unverzichtbar
Was unter Wohlfahrt zu verstehen sei und wie sie sich mit dem Ziel eines andauernden Wirtschaftswachstums – auch dies eines der SDGs – vereinbaren lasse, darüber diskutierten zunächst die Podiumsteilnehmer und anschließend auch das Plenum: „Wir müssen aus bestimmten Strukturen aussteigen. Das wird sich auch in einer verminderten ökonomischen Leistungsfähigkeit bemerkbar machen, was politisch schwer durchsetzbar erscheint. Brauchen wir dafür nicht eine andere Erzählung?“, fragte Klaus Jacob. Das sei insbesondere bei Themen schwierig, wo Wohlfahrt und Nachhaltigkeit in Konflikt gerieten, etwa beim für viele Menschen unverzichtbaren Autofahren, ergänzte Gernot Klepper. Deswegen müssten Narrative solche Zielkonflikte mit beantworten, befand Prof. Dr. Rainer Walz vom Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung (ISI). Ferner bleibe Degrowth ein wichtiger Teil der Debatte, denn ohne Schrumpfung in den Industrienationen gehe es nicht – „wir müssen den wachsenden, im Moment armen Ländern ‚entgegenschrumpfen‘, und dort braucht man Wachstum“, so Walz: „Wohlfahrt mit Schrumpfung muss möglich werden“.

Positive Verteilungswirkungen finden und erzählen
Auf der Suche nach brauchbaren Narrativen müsse die Volkswirtschaftslehre „wieder stärker ran“ an das Thema Internalisierung externer Effekte, befand Gernot Klepper, zum Beispiel mit konkreten Empfehlungen, wie sich der Emissionshandel reformieren lässt. Ein grundsätzliches Problem liege allerdings darin, dass der allen Nachhaltigkeitsanstrengungen zugrundeliegenden Aussage ‚Wir können so nicht weitermachen‘ viele Menschen nicht zustimmten und Instrumente gefunden werden müssten, wie man diese „zum Mitmachen bewegen“ könne, meinte der Kieler Ökonom.

Grundsätzlich, so zeigte sich zum Ende der Diskussion, scheinen Nachhaltigkeits-Narrative viel Potenzial zu haben. Es gehe um globale Gerechtigkeit und Frieden, das sei schon ein sehr sinnstiftendes, verbindendes Ziel, war eine der Meinungen aus dem Plenum. „Aus den NaWi-Projekten heraus können wir viel zu Wohlstandsmaßen sagen und zur gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Debatte beitragen“, so Gernot Klepper. Dabei komme es darauf an, die verschiedenen Vorteile von Nachhaltigkeit deutlicher zu benennen. „Wir müssen positive Verteilungswirkungen finden und erzählen“, schloss der Wissenschaftler. Die Entwicklung von Nachhaltigkeits-Narrativen kann also beginnen.