Ausgangssituation und Forschungsfragen
Die gegenwärtig vorherrschende, auf Gewinnmaximierung ausgerichtete Wirtschaftsweise geht nicht selten mit negativen ökologischen und sozialen Folgen einher. Die zivilgesellschaftliche Bewegung der Gemeinwohl- Ökonomie (GWÖ) setzt sich daher für eine Alternative ein: Sie hat ein auf demokratischen Grundwerten fußendes Modell entwickelt, welches einen Beitrag zum gesellschaftlichen Gemeinwohl als Zweck des Wirtschaftens verfolgt. Monetärer Gewinn wird dabei nicht als das Ziel, sondern als reines Mittel betrachtet.
Das Forschungsvorhaben „Gemeinwohl-Ökonomie im Vergleich unternehmerischer Nachhaltigkeitsstrategien“ (GIVUN) untersucht das Potenzial der Gemeinwohl- Ökonomie für eine sozial-ökologische Transformation. Wie können die Werte „Menschenwürde“, „Solidarität“, „Ökologische Nachhaltigkeit“, „Soziale Gerechtigkeit“ und „Demokratische Mitbestimmung & Transparenz“ in der unternehmerischen Praxis Berücksichtigung finden? Diese Frage haben sich bereits über 1800 Unternehmen, darunter vor allem kleine und mittlere (KMU), gestellt und sich als Unterstützer der Gemeinwohl- Ökonomie eingetragen. Etwa 200 Unternehmen haben bereits auf freiwilliger Basis ihre Gemeinwohlorientierung nach dem Punktesystem der GWÖ bewertet. Die sogenannte Gemeinwohl-Bilanz stellt ein zentrales Instrument der Gemeinwohl-Ökonomie dar. Perspektivisch strebt die Bewegung eine politische Verankerung an: Unternehmen, die eine gute Gemeinwohl- Bilanz vorweisen, sollen steuerliche Vorteile genießen und bevorzugt öffentliche Aufträge bekommen.
Projektziele und zu erwartende Ergebnisse, geplante Umsetzungsstrategien
Ziel des Forschungsvorhabens ist die gesellschaftliche und wirtschaftsethische Kontextualisierung sowie die empirische Erforschung gemeinwohlorientierten Wirtschaftens. Hierzu wird der GWÖ-Ansatz in die Ideengeschichte der Ökonomik eingeordnet und in seinen Wirkungen und seinem transformativen Potenzial mit aktuellen Corporate Social Responsibility (CSR)-Instrumenten und Nachhaltigkeitsindizes verglichen. Im empirischen Teil der Forschung gewähren Praxispartner wie der Outdoor-Ausstatter Vaude, die Druckerei Oktoberdruck und der Anbieter für Öko-TiefkühlkostÖkofrost Einblicke in ihre Gemeinwohl-Anstrengungen. Untersucht wird, welche sozialen und ökologischen Effekte es mit sich bringt, wenn Wirtschaftsakteure ihr Handeln stärker am Gemeinwohl orientieren und eine Gemeinwohlbilanzierung durchführen. Im Verbund mit Großunternehmen wie Deutsche Post, dm-drogerie markt und OTTO Group erarbeitet das Forschungsteam zudem Zukunftsprojektionen zu den Möglich- und Machbarkeiten einer verstärkten Gemeinwohlorientierung.
GIVUN leistet einen Beitrag zur Erforschung neuer Ansätze für nachhaltiges Wirtschaften und ihrer Skalierung und Übertragbarkeit sowie zu systemischen Fragen zur Transformation des Wirtschaftssystems. Die Ergebnisse des Forschungsvorhabens werden sowohl wissenschaftlich publiziert, als auch in die Öffentlichkeit und die CSR- sowie GWÖ-Community kommuniziert und dort verbreitet. Durch ein multidisziplinäres Forschungsteam und die aktive Einbeziehung von Praxispartnern trägt das Projekt zum inter- und transdisziplinären Wissensaustausch bei. Zum Ende des Projektes ist eine Abschlusskonferenz in Berlin geplant, bei der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zusammen mit Politikern sowie Praxispartnern aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft die Projektergebnisse diskutieren.
Das Projekt hat verschiedene Unternehmen als Praxispartner; unten ist eine Auswahl dargestellt.
Dr. Bernd Sommer & Prof. Dr. Harald Welzer, Europa-Universität Flensburg, Norbert Elias Center for Transformation Design & Research (NEC)
Prof. Dr. Ludger Heidbrink (Philosophisches Seminar der Chrsitian-Albrecht-Universität zu Kiel)